Für blühende Dörfer
Anna Florin glaubt an kompakte, historisch gewachsene und geografisch vereinte Gemeinden, die fähig sind für das Wohl der Bevölkerung zu sorgen und der Gemeinschaft im Dorfzentrum geeignete Treffpunkte, Orte der Nahversorgung sowie Wohn- und Arbeitsräume zur Verfügung zu stellen.
Der Verein ermutigt und unterstützt die Gemeinden, den Konsequenzen von Gemeindefusionen und dem Druck des Zweitwohnungs-Immobilienmarkts entgegenzuwirken, bestehende Räume für die Dorfgemeinschaften zu bewahren und Neue zu fördern. Anna Florin sensibilisiert die Bewohner:innen und die Zweitwohnungsbesitzer:innen für die Möglichkeiten einer vitalen Gemeinschaft und animiert sie dazu sich aktiv und nachhaltig für die Lebensqualität im Unterengadin einzubringen.
Je mehr Mitglieder wir sind,
desto kraftvoller können wir dieser
Entwicklung entgegen treten.
Guarda 2023 als Beispiel
Retten, was es noch zu retten gibt,
auch um Innovation zu ermöglichen.
Interview mit Anna Florin:
Anna Florin, wer bist du?
Ich bin eine politische Bewegung, welche die Dorfbewohner: innen ermutigt dem Druck des Immobilienmarkts entgegenzuwirken und sich nachhaltig für die Lebensqualität und Freude im Dorf einzubringen. Aber ohne dich und andere Mitglieder gibt es mich nicht, weil ich keine private Person bin, sondern der Verein «Anna Florin – für blühende Dörfer», mit Sitz in Tarasp. Gegründet wurde ich im Herbst 2021 von einigen Engadiner:innen der jüngeren Generation. Diese wollen sich für die Zukunft des sozialen Lebens in unseren Gemeinden einsetzen. Unserem Vorstand gehören Flurina Badel aus Guarda, Gregory Fretz aus Sent, Riet Fanzun aus Tarasp und Jon Blanke aus Lavin an.
Weshalb ist das nötig?
Zwei neue Gesetzte, welche seit wenigen Jahren in Kraft sind, haben den Immobilienmarkt in der Schweiz radikal verändert, dies mit massiven Konsequenzen vor allem für touristische Regionen wie das Engadin: einerseits das Zweitwohnungsgesetz (seit 2015) und anderseits die Revision des Raumplanungsgesetzes (2020/21). Mit der Annahme dieser beiden Gesetze wurde entschieden, den Landschaften Sorge zu tragen und die Gemeinden baulich hauptsächlich innerhalb der bestehenden Bausubstanz weiter zu entwickeln und nicht auf der grünen Wiese. Alle schweizerischen Gemeinden passen deshalb gerade ihre Zonenpläne und Baugesetze an. Dies ist eine Herausforderung und verlangt von uns allen neue Ideen, wie wir mit der baulichen Entwicklung im Dorf umgehen sollen.
Diese beiden Gesetze haben nämlich fatale Konsequenzen für unsere Dörfer.
Das Zweitwohnungsgesetz verhindert lediglich den Bau von neuen Zweitwohnungen auf grüner Wiese. Doch weder das eidgenössische Zweitwohnungsgesetz noch die kommunale Gesetzgebung sehen griffige Massnahmen vor, um Erstwohnungen zu schützen. Alle vor dem 11. März 2012 gebauten Wohnungen und Häuser, welche im Grundbuch nicht als Erstwohnungen eingetragen sind, bleiben auf dem Markt dem Druck des Zweitwohnungsbaus (oder -Umbaus) ausgesetzt. In der fusionierten Gemeinde Scuol zum Beispiel sind das über 90 % aller bestehender Häuser!
Seit Jahrzehnten werden vor allem historische Engadinerhäuser von Einheimischen an zahlungskräftige Eigentümer:innen verkauft, umgebaut und als Ferienhäuser zu beliebten, in der Zwischensaison aber häufig leer stehenden Rückzugsorten umgenutzt. Das Leben im Dorfkern schwindet oder verschwindet ganz. Durch die Revision des Raumplanungsgesetztes könnte diese traurige Entwicklung der verwaisten Dörfer noch beschleunigt werden: Bauland für Einheimische am Dorfrand fällt weg, nach dem Verkauf des alten Engadinerhauses im Dorfkern bleibt nur noch der Wegzug. Dies kann nicht im Sinne der Gemeinde, verstanden als Dorfgemeinschaft, sein.
Und diese Häuser sind während vieler Tage des Jahres unbewohnt und die Dorfzentren sterben aus – oder?
Ja, genau. Wer hinschaut, sieht es im ganzen Unterengadin. Es ist ein Problem, dass der Immobilienmarkt für Einheimische der gleiche ist wie der Markt für Zweitwohnungen. Alle kämpfen um die gleichen Häuser. Meistens verlieren aber die einheimischen Interessent:innen, weil die Auswärtigen mehr Geld bieten können. Wir sind wenige Tausende Ortsansässige gegen Hunderttausende, die auf der Suche nach einer Zweitwohnung sind. Die Preise für den Kauf und die Miete von Wohnungen steigen stetig. Wenn wir nicht sofort mit wirksamen Massnahmen reagieren besteht die Gefahr, dass die Dörfer zu Ferienressorts oder gar zu Museen werden – schön anzuschauen, aber ohne Leben.
Ist es nicht schon bereits zu spät?
Um es mit Karl Valentin zu sagen: «Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist.» Die Situation um das Coronavirus hat diese negative Entwicklung nochmals spürbar beschleunigt. Wir müssen kreative Lösungen finden, um unsere letzten Häuser dem Zweitwohnungsmarkt zu entziehen. Die Preise für Erstwohnraum müssen verbilligt werden, damit sie auch für die lokale Bevölkerung wieder bezahlbar werden. Aktuell sind die Preise astronomisch hoch und haben nichts mehr mit dem Verkehrswert der Immobilien zu tun – für viele Ortsansässige schlicht unbezahlbar.
Und wie willst du vorgehen?
Mit dem Einsatz und Engagement von meinen Mitgliedern, Einheimische und Auswärtige, möchte ich die politischen Gemeinden, deren Einwohner:innen und die Eigentümer:innen von Zweitwohnungen dazu ermuntern, langfristig dem Wohnungsmarkt und den öffentlichen Treffpunkten Sorge zu tragen. Dafür muss man die Gemeinschaft sensibilisieren und alternative Wege aufzeigen als den Verkauf unserer Dörfer. Es braucht Gesetzesänderungen und Mut für innovative Projekte und Wohnformen.
Aber würde das einheimische Gewerbe nicht Arbeit verlieren?
Zur gleichen Zeit wie wir die kommunalen Gesetze anpassen, welche den einheimischen Immobilienmarkt schützen, müssen wir Märkte fördern, die in den letzten Jahren vernachlässigt wurden, damit es keine Verluste im Baugewerbe gibt. Sowohl Private, Geschäfte als auch die Gemeinschaft müssen den Bau von preiswerten Erstwohnungen sowie die Sanierung von Hotels fördern, welche im Moment gänzlich fehlen.
Der Gast ist sehr wichtig für unsere Region. Der Tourismus bietet nicht nur vielen Einheimischen ein Einkommen, er ermöglicht uns auch einen Austausch mit vielen spannenden Menschen, das ist bereichernd. Es kann aber nicht sein, dass über die Hälfte aller Häuser unserer Fraktionen nicht Ortsansässigen gehören, die sich weder für die Infrastruktur noch das tägliche Leben in der Gemeinde engagieren. Ich möchte nichts unversucht lassen, das Dorfleben zu erhalten – dazu gehören Restaurants, Schulen oder Läden mit Produkten für den täglichen Gebrauch. Nur in einer lebendigen Region hat das lokale Gewerbe auch in Zukunft Arbeit!
Je mehr Mitglieder wir sind,
desto kraftvoller können wir dieser
Entwicklung entgegen treten.
Und was erwartet mich als Mitglied?
Du hast die Möglichkeit, dich aktiv oder passiv zu engagieren. Zudem halte ich dich mit unserem Newsletter regelmässig auf dem Laufenden, du wirst zu thematischen Anlässen eingeladen und ich biete Beratungen für Erbengemeinschaften und Personen, die nicht wollen, dass ihr Haus zu einem weiteren Ferienhaus wird. Mit deinem Einsatz werden wir zu einer starken Bewegung, die im Unterengadin das zu retten versucht, was für eine Dorfgemeinschaft vital ist. Dazu gehören auch unsere Sprache und Kultur.
Der Mitgliederbeitrag beträgt nach freier Wahl CHF 70.- oder ein Vielfaches davon. Lernende und Studierende können ihren Mitgliederbeitrag ab CHF 35.- nach ihren Möglichkeiten frei bestimmen.
Konto für Mitgliederbeiträge
und Zuwendungen:
Verein Anna Florin
7553 Tarasp
GKB: IBAN CH82 0077 4010 4370 0760 0
Aktuell
Verdichtet Bauen in bestehenden Gebäuden – preiswert, zeitgemäss und respektvoll
Der Verein Anna Florin fordert bezahlbaren Erstwohnraum auch in den historischen Dorfkernen. Auch die lokale und weniger vermögende Bevölkerung soll altrechtliche Gebäude in zeitgemässen Wohnraum umwandeln können. Nebst der Unterstützung von den politischen Gemeinden braucht es dafür auch neue kreative Ideen und Lösungen von Architekt:innen und Handwerker:innen in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege.
Der Verein Anna Florin lädt alle interessierte Personen dazu ein diverse bestehende Gebäude in unterschiedlichen Bau- und Renovationsstadien zu besuchen, mitzudiskutieren, und sich mit den Expert:innen auszutauschen.
Das erste Treffen findet am Samstag, den 6. Mai 2023 von 15:00 – 17:00 statt. Treffpunkt ist die Chasa Fanzun, Sparsels 155, 7553 Tarasp. Der Fokus dieses Treffens liegt auf der Unterteilung eines Engadinerhauses in mehrere Wohnungen anhand eines Beispiels aus den 80er Jahren. Mit Beteiligung des Architekten Riet Fanzun, der Beraterin der Denkmalpflege der Gemeinde Scuol Mengia Mathis. Moderation: Flurina Badel.
Die nächsten Treffen finden am 17. Juni, 15. Juli, 9. September und am 14. Oktober 2023 statt. Weitere Infos dazu, werden laufend hier veröffentlicht.
Massnahmen zur Förderung von bezahlbarem Erstwohnraum auf kommunaler Ebene
Anna Florin hat einen Katalog mit Massnahmen zur Förderung von bezahlbaren Erstwohnraum und Treffpunkten auf kommunaler Ebene erarbeitet. Diese Vorschläge für Massnahmen zielen auf die Anpassung der kommunalen Zweitwohnungsgesetzte und stellen eine Diskussionsgrundlage dar.
Anna Florin vernetzt sich mit der «Wohnraumförderung Oberengadin»:
Analysen, Informationen und Lösungsansätze zur Wohnproblematik im Engadin finden Sie hier:
Medias
Wohnungsnot im Engadin
SRF, Schweiz Aktuell, 19-04-23
Cunter mancanza d’abitaziuns
RTR, 16-03-23
Anna Florin warnt und fordert
Bluewin-News, 14-03-23
Erstwohnungsnot soll nicht nur ehrenamtlich bekämpft werden
Südostschweiz, 14-03-23
Die Wohnungssuche im Ferienparadies wird zum Albtraum
Sonntagszeitung / Tagesanzeiger, 28-01-23
Anna Florin propona mesiras per spazi da viver
RTR, 17-01-23
Zum Radiobeitrag
Ausverkauf in der Surselva
WOZ, 05-02-23
Nationalratskommission will Zweitwohnungsgesetz lockern
SRF Rendez-vous, 22-11-22
Zum Radiobeitrag
Fatschadas e midadas
La Marella, RTR – Guarda e l’avegnir in muntogna, 20-11-22
Zum Radiobeitrag
Erstwohnungsnot im Engadin
Südostschweiz, 07-11-22
Zum Artikel
Üna chasa chi sa bler
Posta Ladina, 20-08-22
Patria es quai cha no fain landeroura
Posta Ladina, 02-08-22
Schoglier a cuorta vista es dificil
Posta Ladina, 07-06-22
Retten was noch zu retten ist
Blog Stiftung Baukultur Schweiz, 17-05-22
Zum Artikel
«Nus nu vulain stuvair gnir cun iniziativas»
Posta Ladina, 01-04-22
Wenn nur noch 13 Häuser
Südostschweiz, 28-03-22
Zum Artikel
Einheimische bangen um ihre Dörfer
Blick, 12-03-2022
Zum Artikel
Sehnsuchtsort Bergidylle – Viele zieht es ins Unterengadin
SRF, 11-03-2022
Zum Bericht
Die Bergler zuerst
Die Zeit, vom 24.02.2022
Zum Artikel
Teurer Wohnraum in Bauregionen
Schweiz aktuell vom 09.02.2022
Zum Beitrag
«La lescha da segundas abitaziuns – ina farsa?»
Aus Ruinen macht er noble Lofts
Tagesanzeiger vom 28.01.2022
Zum Artikel
Dapli spazi d’abitar per indigens
RTR Telesguard dal 21.01.2022
vair artichel
Wohnungssituation im Engadin spitzt sich zu
SRF Regionaljournal vom 19.01.2022
Zum Artikel
Die verzweifelte Suche nach Wohnraum im Engadin
SRF Rendez-vous vom 19.01.2022
Zum Artikel
La fabrica cumainza bainbod
Posta Ladina dal 18.01.2022
vair artichel
Para stoja il prüm far mal
Posta Ladina dal 11.01.2022
vair artichel
Wohnungsnot: Weil die Portemonnaies nicht gleich dick sind
Südostschweiz vom 24.12.2021
Zum Artikel
Ausverkauf des Engadins
Hochparterre vom 13.12.2021
Zum Artikel
Die Wohnungsnot im Engadin verschärft sich
Engadinerpost vom 09.12.2021
Zum Artikel